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Für ein Begleiten in der letzten Lebensphase

ASB-Fachkräfte aus Pflege und Betreuung für Ubstadt und Bretten geschult in „Palliative Care“

Das Thema beschäftigte die 12 Teilnehmenden die Woche über, manche verfolgte es bis in die Träume. Eine der Kernfragen der Schulung in Karlsruhe Durlach: „Wie geht es euch, wenn eine Bewohnende, ein Bewohnender in die letzte Lebensphase eintritt oder verstirbt?“ Auch das Überbringen einer Todes-Nachricht an Angehörige wird reflektiert und simuliert, die Dozentin fragt: „Möchte jemand das übernehmen?“ Fünf Tage lang schulten sich Fachkräfte der ASB-Einrichtungen im nördlichen Landkreis Karlsruhe darin, Sterbende zu begleiten und dabei die Familien wie auch sich selbst im Blick zu behalten.

Gemeinsam für Palliative Care: Am Ende ihrer Schulung legten die Teilnehmenden Wert auf ein fröhliches Foto. Marion Basler, in der Mitte erkennbar am roten Pulli, war die Dozentin. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Gruppenfoto mit neun der Teilnehmenden an der Basis-Weiterbildung Palliative Care und der Dozentin am letzten Schulungstag: „Lieber ein fröhliches Bild!“, rufen sie unisono. Alle Gesichter gehen über in ein fröhliches Strahlen. Und es wird deutlich, dass es „ein Gewinn war, die Kolleginnen auf diese Art und bei diesem Thema näher kennen zu lernen“, wie eine Mitarbeitende der ASB-Seniorenresidenz Bretten Am Saalbach sagt. „Es ist schade, dass es heute zu Ende geht, auch wenn es anstrengend war“, meint eine Mitarbeitende des ASB-Pflegezentrums Josefshaus in Ubstadt. Eine weitere berichtet, sie habe die Kurs-Inhalte nun in der Nacht in einem Traum verarbeitet.

Wir Menschen hätten auf der Erde nur wenige Jahre, gibt Renata Sosnitza, die in Bretten für den ASB tätig ist, in der Morgenrunde zu bedenken: Bei ihr habe sich eine Freundin aus Litauen zum Thema Sterben gemeldet. Auf Bitten der Gruppe liest Sosnitza das ihr übermittelte Zitat aus einem Buch, das dort erschienen ist, vor. „Alles, was wir anfassen, vergeht“, übersetzt sie sinngemäß. Mit Blick auf die letzte Lebensphase steht die Frage im Raum, „was wirklich wichtig ist im Leben.“ Und herzhaft belegte Semmeln wie die „süßen Stücke“ bleiben für einen Moment auf den Tellern liegen.

Raum, in dem es zu einer Haltung kommen kann

In den von den Samaritern getragenen Einrichtungen werden Mitarbeitende aus Pflege und Betreuung intern mit den Grundlagen von Palliative Care vertraut gemacht und geschult. Hinzu kommen die regelmäßigen fachlichen Weiterbildungen. Dazu gehört die vorige Woche in der Geschäftsstelle des Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Region Karlsruhe in Durlach.

Marion Basler, 43, aus Sasbach (Ortenaukreis), ist die Dozentin. Sie ist Palliative Care-Trainerin nach den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. in Berlin. Der ebenfalls dort ansässige Bundesverband des ASB hatte sie als Expertin für den Kurs in Durlach aktiviert. Die gelernte Krankenschwester ist mit Sterbebegleitung in Theorie wie Praxis vertraut: In Hamburg leitete Basler 14 Jahre lang ein Hospiz mit. Mit samtiger dunkler Stimme, die wie ein Markenzeichen für sie zu sein scheint, spricht sie zu den Kurs-Teilnehmenden.

Worauf es ihr ankomme, sei, „eine Haltung zu erarbeiten“, sagt sie. Möglich macht dies der geschützte Raum, den die ASB-Kolleginnen aus Bretten und Ubstadt an fünf aufeinander folgenden Tagen mit ihr erleben, zusammen mit ihren fachlichen Impulsen. Auch auf die jeweils stimmige Atmosphäre achtet Basler: So hält die Playlist auf ihrem Smartphone mal ein wehmütig klingendes irisches Lied bereit, das mit einem langen akustischen Intro beginnt. Dann einen deutschen Rap (Refrain „Danke, Danke!“), der den mitgebrachten Lautsprecher auf dem Tisch mit kräftigen Beats kurz zum Wummern bringt.

Konzentriert: Marion Basler sorgte für Sichtbarkeit erarbeiteter Inhalte. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Reflektiert: Silvia Stadtmüller (l.) und Erika Meck aus dem ASB-Pflegezentrum Josefshaus in Ubstadt. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Vom Umgang mit Sterbenden und auch dem Moment danach

Mit Baslers Hilfe haben die Teilnehmenden über die Tage einen Avatar entwickelt – eine Person mit Charakteristika, Familienstruktur, Eigenheiten, Lebensträumen und eigener Biographie, wie es sie im richtigen Leben geben könnte. Der fiktive Name: Elisabeth Schmidt. Am Ende der Woche ging es auch darum zu reflektieren, „was ihr“, so die Trainerin, „alles für Elisabeth Schmidt getan habt“. Karte um Karte beschriften so etwa Erika Meck und Silvia Stadtmüller, ASB-Kolleginnen in Ubstadt, mit ihren Punkten, bevor sie an die Pinnwand gehen. Der Blick auf die Angehörigen gehört mit dazu.

„Sehr, sehr wichtig“ findet es Mary Stella Bellm, sich professionell mit der Situation auseinander zu setzen – „um sich nicht hilflos zu fühlen.“ Sie habe sich, sagt sie in einer Pause am letzten Seminartag, wiederholt auch in die Gegenperspektive versetzt gesehen, der Kurs eine Art Empowerment für sie. Als Betreuungsfachkraft unterstützt sie die Kolleginnen und Kollegen aus der Pflege in der Palliativpflege: „Aus unserer Biographiearbeit mit den Bewohnenden haben wir ja Einblicke: Was mögen sie, wie war ihr Leben? Bis hin zu: Welcher Duft in der Duftlampe sorgt für ihr ganz persönliches Wohlgefühl? Das fließt in die Begleitung mit ein.“

Dann will Marion Basler von ihr und den anderen wissen, wie es ihnen geht, wenn der Mensch, um den sie sich gekümmert haben, verstorben ist. Legt eine persönliche Erfahrung aus dem eigenen Leben sich auf die berufliche Situation und jemand aus der Runde schildert diese offenherzig, muss auch die äußerlich ruhig wirkende Trainerin kurz schlucken. Klar wird auch: In die Trauer über einen Verlust kann sich je nach Krankheitsverlauf des Betreffenden der Gedanke mischen, dass „der Mensch es jetzt geschafft hat“.

Ihr sei kalt und sie habe Gänsehaut, sagt Mary Stella Bellm, wenn jemand verstorben sei und sie den Raum der Person betrete. „Verstirbt jemand plötzlich und unerwartet, ist es ein Schock und es dauert ein paar Tage“, ergänzt sie. Andere äußern ihr Gefühl von Befremden, wenn im Anschluss jemand das Zimmer, das sie mit der Person verbinden, neu bezieht. Die Italienerin Angela Zappula-Hodonj ist seit 24 Jahren in der Pflege und sagt: „Manche bleiben für immer in Erinnerung.“

Aufmerksam: Erika Meck (l.) und Silvia Stadtmüller präsentierten ihr Arbeitsergebnis. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Achtsam: Die Dozentin variierte im Detail, je nach Aspekt, um den es ging, die Atmosphäre im Raum. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

S t e r b e b e g l e i t u n g | gesetzlicher Auftrag

Sterbebegleitung ist eine verpflichtende Leistung in den Einrichtungen der stationären Altenpflege – als ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungsauftrages der sozialen Pflegeversicherung (§ 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Darüber hinaus können Pflegeheime ihren Bewohnenden eine Versorgungsplanung zur individuellen und umfassenden medizinischen, pflegerischen, psychosozialen und seelsorgerischen Betreuung in der letzten Lebensphase anbieten (Hospiz- und Palliativgesetz, §132g SGB V).

Intensiv: Die Schulung erstreckte sich über eine Arbeitswoche. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Vertieft: Luisa Becker (l.) und Mary Stella Bellm bei der Gruppenarbeit. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Hintergrund | Ganzheitliches Betreuungskonzept

Unter Palliative Care versteht man den Ansatz, Menschen, die sich im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung und in der finalen Phase befinden, ganzheitlich zu betreuen. Dabei sind für Pflege, Betreuung und Begleitung auch der Angehörigen ein hohes Maß an Sensibilität gefragt sowie ein Umgang, der sich kreativ an Symptomen und individuellen Gegebenheiten ausrichtet. Das Konzept beinhaltet gezieltes Wissen und eine besondere Art der kommunikativen Aufmerksamkeit, um die Menschen in dieser so besonderen und verletzlichen Zeit zu begleiten und ihnen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln.

Kurt Stahl etwa, der das ASB-Pflegezentrum Josefshaus leitet, will das Sterben „als natürlichen Vorgang“ betrachtet wissen, „so weit wie möglich frei von unnötigen Schmerzen und Belastungen“. Die Fachkräfte im Josefshaus arbeiteten interdisziplinär mit Angehörigen, Ärzten und auch Seelsorgern zusammen, sagt er. Zum Abschluss des Seminars Freitagnachmittag ist er noch einmal zu der Runde gestoßen. „Wir versuchen bei jedem Bewohnenden zu erfragen, wie er oder sie verbleibende Lebenszeit gestalten möchte. Bei Demenzerkrankten achten wir besonders auf nonverbale Mitteilungen und Mimik.“ Biographiearbeit, validierendes Verhalten und Fallbesprechungen ergänzten dies, „denn wir möchten“, so Stahl, „Lebensqualität auch in dieser Phase mit medizinischer, pflegerischer, sozialer wie spiritueller Unterstützung erlebbar und spürbar machen“.

ASB-Ansatz

Für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Baden-Württemberg e.V. gilt: Die Samariter unterzeichneten in Stuttgart bereits am 13. März 2019 die ‚Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen‘. Die Charta setzt sich für Menschen ein, die aufgrund einer lebensbegrenzenden Erkrankung mit Sterben und Tod konfrontiert sind. Die Leitsätze des Positionspapiers formulieren Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, die die Betreuung Sterbender verbessern. Unterzeichnende verpflichten sich, diese umzusetzen:

Bewusst: Renata Sosnitza (l.) und Angela Zappula-Hodonj aus der ASB-Seniorenresidenz Bretten Am Saalbach. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

Glücklich: Mit der Urkunde in der Hand umarmte Mary Stella Bellm die Dozentin zum Abschluss der Schulung in Durlach. | Bildnachweis: ASB Karlsruhe

„Letzte Hilfe-Kurse“ des ASB für Laien

Für Interessierte bietet der ASB in Karlsruhe und Ubstadt zudem regelmäßig Kurse in „Letzter Hilfe“ an. Diese finden ebenfalls in einem geschützten Raum statt und vermitteln Laien hilfreiches Palliativwissen für das private Umfeld. Zum einheitlichen Konzept gehören vier Module: Sterben als ein Teil des Lebens | Vorsorgen und Entscheiden | Leiden lindern | Abschied nehmen. Entwickelt haben das Konzept der Palliativmediziner, Notfallmediziner und Forscher Dr. Georg Bollig und sein Team. Es wird vertreten von der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft Letzte Hilfe Deutschland in Schleswig. Ein Kurs in der Region lässt sich online buchen:

Schließlich ist der ASB-Wünschewagen zu nennen - ein Samariter-Projekt auf Spendenbasis, das schwer Erkrankten einen letzten Herzenswunsch erfüllt.